Anhal­ti­sches Thea­ter Dessau

Was­ser­stän­de und Tauchtiefen

Tra­gi­ko­mö­die in einem Akt von Tho­mas Steinke

August 2002. Eine Flut­wel­le erreicht am 14. August Sach­sen-Anhalt. Däm­me bre­chen und erst am 13. Sep­tem­ber wird für Des­sau der Kata­stro­phen­alarm wie­der auf­ge­ho­ben … Zehn Jah­re nach der Jahr­hun­dert­flut greift das Schau­spiel­ensem­ble einen gan­zen Tag lang musi­ka­lisch und mit Tex­ten die dra­ma­ti­schen Ereig­nis­se im Jahr 2002 auf − unter der Über­schrift »Die Flut«.

Es ist schon merk­wür­dig, wozu sich Karl Heinz Leh­mann, der Inha­ber von »Kal­les Mampf­bu­de«, in die­ser Nacht auf dem öden Bus­bahn­hof über­re­den lässt. Aber einem sol­chen Berufs­schwät­zer wie Lorenz Wot­scher (arbeits­lo­ser Phi­lo­soph) ist er ein­fach nicht gewach­sen. Die bei­den haben sich schein­bar zufäl­lig getrof­fen, um auf den letz­ten Bus zu war­ten. Der kommt jedoch nicht, son­dern statt­des­sen das gro­ße Was­ser. Der Stau­damm des nahe gele­ge­nen Atom­kraft­werks ist gebors­ten, und da nun wie­der kennt sich Leh­mann aus. Er selbst hat dort vor Jah­ren mit­ge­baut und damals bereits gewarnt. Für Wot­scher ist dies nur ein neu­er­li­cher Beweis für sei­ne The­se vom »Hand­lungs­wahn­sinn«. Ster­ben in den Flu­ten aber wol­len bei­de nicht. Und wäh­rend der Kri­sen­stab die neu ent­stan­de­ne Lage auf einem Luxus­damp­fer dis­ku­tiert, trei­ben Wot­scher und Leh­mann auf den Res­ten von »Kal­les Mampf­bu­de« davon…

Büh­nen­bild: David Ortmann
Kos­tüm­bild: Kat­ja Schröpfer
Dra­ma­tur­gie: Sabeth Braun
mit: Thors­ten Köh­ler & Patrick Rupar
Fotos: David Ortmann
Pre­mie­re am 25. August 2012 im Alten Thea­ter Dessau
»Das fra­gi­le Ver­hält­nis von Natur und Tech­nik spielt eine Rol­le, der ›Hand­lungs­wahn­sinn‹ und wahn­sin­ni­ge Ord­nungs­sinn des Men­schen. David Ort­mann insze­niert ›Was­ser­stän­de und Tauch­tie­fen‹ von Tho­mas Stein­ke zudem mit einem Sei­ten­blick auf Samu­el Becketts ›War­ten auf Godot‹. Vor allem aber begeis­tern die schwim­mend-abrup­ten Stim­mungs­wech­sel bei stei­gen­dem Pegel­stand. Das lust­voll gegen­sätz­li­che Duo lie­fert detail­ver­liebt auf Augen­hö­he bei durch­aus dras­ti­scher Ent­klei­dung eine Ent­hül­lung seicht beklei­de­ter Grund­mus­ter mensch­li­cher Zwei­sam­keit. Bei­nah nackt, lächer­lich nackt zuwei­len, tau­chen die Kehr­sei­ten auf. Vor­züg­lich tem­pe­riert, wer­den Leh­manns eigent­lich immer schon schei­tern­der Aktio­nis­mus und Wot­schers geni­al gestal­te­te stoi­sche Außen­wir­kung umgedreht.«
Tho­mas Altmann
Mit­tel­deut­sche Zei­tung vom 28. August 2012